Deutscher Fußball in den Jahren 1900 bis 1950

 
 
 
   
 

 

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Deutscher Fußball bis 1950

Es ist heute schwer vorstellbar, aber der Fußballsport war zu Beginn seiner Existenz ein Privileg des Bürgertums. Erst in den späten Zehner Jahren des Zwanzigsten Jahrhunderts gelang es, ihn einer breiteren Bevölkerung zugänglich zu machen, und zwar aufgrund einer bahnbrechenden, gesellschaftlichen Veränderung: der Einführung des Acht-Stunden-Tages im Jahr 1918; vor dieser Zeit war es der Arbeiterschaft vollkommen unmöglich gewesen, die Zeit und die Kraft für eine sportliche Betätigung zu finden.

Fußball avancierte in Deutschland schnell zum Volkssport. Der Stadionbesuch wurde zum gesellschaftlichen Ereignis und war mit lautstarker Anteilnahme verbunden - Fahnen, Tröten und Gesänge waren schnell etabliert, und auch Sammelbilder von Spielern in Zigarettenschachteln existierten bereits in den Zwanziger Jahren.

Die politisch Verantwortlichen in der Weimarer Republik begrüßten den neuen Volkssport, denn in Zeiten, in denen dem Kriegsverlierer Deutschland Volksertüchtigung anhand von militärischen Übungen untersagt war, ergab sich plötzlich ein anderes, viel verlockenderes Mittel, die Wehrfähigkeit des Volkes zu sichern. Direkte Folge davon: Der Süddeutsche Fußballverband verzeichnete zwischen 1920 und 1922 einen Zuwachs um 1.100 neue Vereine!

In diese Zeit fiel auch der Beginn der sogenannten Berufsspielerfrage. Mit Eintrittsgeldern aus Stadionbesuchen ließen sich zuverlässige und nicht zu geringe Einnahmen erzielen. Und obwohl der Besuch der Zuschauer einzig und allein den zwei Mannschaften zu verdanken war, die sich auf dem Spielfeld gegenüberstanden, lehnte der DFB (Deutscher Fußballbund) eine Entlohnung der Spieler konsequent ab. "Vergehen gegen den Amateurismus" wurden mit Spielsperren bestraft, wovon 1921 auch der damalige Nationalspieler Sepp Herberger betroffen war, als er, ein lupenreiner Vertreter der Arbeiterklasse, der das Geld dringend benötigte, sich von einem Mannheimer Verein zum Lokalrivalen locken ließ.

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1929 fand das Fußballspiel Aufnahme in den Ausbildungsplan der Turnlehrer. Im selben Jahr wurde die Mannschaft von Schalke 04 geschlossen zu Berufsspielern erklärt und aus dem Westdeutschen Spiel-Verband ausgeschlossen. Wenig später wurde bei einer Versammlung des DFB die Einführung des Berufsspielertums diskutiert und abgelehnt. In Österreich hingegen existierte der Profi zu diesem Zeitpunkt schon seit ein paar Jahren - und der dortige Fußballsport erlebt seine glorreichsten Jahre.

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Bereits 1931 kratzte der DFB an der Mitgliedermilliongrenze. Die Machtergreifung durch die Nazis führte zu Umbenennungen und Umstrukturierungen: Der DFB wurde die Fachsäule Fußball, aus den Landesverbänden wurden Gaue, die Verwaltung wurde zentralisiert. 16 Gaumeister kämpften in Endrunden um die Deutsche Meisterschaft.

Bei der WM 1934 errang Deutschland überraschend den dritten Platz.

1935 wurde eine Mitgliedschaft in der Hitler-Jugend Voraussetzung für eine Aufnahme in der Sportjugend.

1936 scheiterte Deutschland bei der Olympiade in Berlin vor Hitlers Augen bereits in der Vorrunde an Norwegen. Danach geschahen Veränderungen in der Leitung der Nationalmannschaft, deren Hintergründe bis heute verschieden gedeutet werden. Der bisherige Reichstrainer Otto Nerz wurde Referent für die Nationalmannschaft. Sein Assistent Sepp Herberger übernahm das Training. 1938 trat Nerz zurück, und Herberger wurde vollamtlicher Reichstrainer. Nach dem Zwangsanschluss Österreichs an das Deutsche Reich war Herberger verpflichtet, beider Nationalmannschaften und Spielkulturen zu vermischen, was zuerst desaströse Folgen hatte. Als zu verschieden erwiesen sich das Spielverständnis und die Mentalitäten.

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Der Krieg veränderte die Situation des Fußballs in Deutschland drastisch. Vereine verloren durch den Wehrdienst ihre Spieler, dafür entstanden Militärmannschaften, die auch um die Deutsche Meisterschaft mitkämpften. Andererseits nahm durch die Annektionen im Osten und im Süden die Zahl der Vereine deutlich zu. Die Nationalmannschaft besaß zeitweise einen Kader von 200 Mann, da nie gewährleistet war, welche Spieler sich an der Front befanden, geschweige denn noch am Leben waren. Kurz vor Ende des Krieges kam der Fußball in Deutschland vollkommen zum Stillstand, wenngleich noch 1944 Länderspiele gegen verbündete oder eroberte Staaten stattfanden.

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Nur mühsam rappelten sich die einzelnen Vereine und Verbände in den Nachkriegswirren wieder auf. Und sehr langsam wurde wieder ein Spielbetrieb aufgebaut, denn eigentlich fehlte es an Allem: an intakten Spielfeldern, an Trikots und Bällen, an Spielern (viele befanden sich in Kriegsgefangenschaft), an der Infrastruktur und den Fahrzeugen, um Mannschaften in anderen Städten zu erreichen. Zudem taten die Besatzungsmächte ihr übriges, die Besiegten klein zu halten. Der Deutsche Fußballausschuss konstituierte sich, und mündete in der Neugründung des DFB am 1. Juli 1949, in dem sich viele bekannte Gesichter der Zeit vor 45, aber auch vor 33 wiederfanden. Man nutzte die günstige Gelegenheit und beschloß die Einführung des Vertragsspielertums, erhielt aber eine separate Amateurmeisterschaft am Leben. Den Verboten der FIFA zum Trotz kam es langsam wieder zu internationalen Fußballspielen mit Deutscher Beteiligung. In der sogenannten "Sowjetzone" wurden eigene Pläne geschmiedet...

Dank beharrlicher Intervention des befreundeten Schweizer Fußballverbandes wurde dem DFB am 22. September in Brüssel der Beitritt zur FIFA genehmigt, im Gegensatz zur "Sowjetzone", deren Aufnahme eine Akzeptanz der Teilung Deutschlands bedeutet hätte und somit ein sehr heißes Eisen bildete. Allerdings hatte die FIFA bereits drei Monate vorher den Saarländischen Fußballverband integriert und somit in dieser Hinsicht ein politisches Signal gesendet. Nach vollbrachter Entnazifizierung im Herbst 1946 und erneuter Inthronisierung als Bundestrainer 1949 mit dem Recht des letzten Wortes bei der Mannschaftsaufstellung ausgestattet, übernahm Herberger die Fortführung seines Lebenswerkes - der Deutschen Nationalmannschaft - und stellte die Weichen für sein erklärtes Ziel, das Höchste im Leben eines Fußballers zu erreichen und an der Weltmeisterschaft teilzunehmen. Die Anmeldung für die Qualifikation erfolgte am 31. Januar 1953, in der verbleibenden Zeit wurde Herberger der Herrscher über rund 80 Mannschaften, die in fünf Oberligen die regionalen Besten ausspielten, um diese dann in einer Endrunde um die Deutsche Meisterschaft kämpfen zu lassen. Jeder Spieler, der das Zeug für höhere Aufgaben hatte, landete in Herbergers berühmtem Notizbuch und wurde zu einem der zahlreichen Sichtungslehrgänge in die Sportschulen der Republik eingeladen.

Am 22. November 1950 kam es zum ersten Nachkriegsländerspiel zwischen Deutschland und der Schweiz in Stuttgart, das 95 Tausend Zuschauer ins Stadion lockte und durch einen verwandelten Handelfmeter des Schalkers Herbert Burdenski entschieden wurde. Neben Burdenski und den zwei anderen alten Recken Jakl Streitle (Bayern München) und Anderl Kupfer (Schweinfurt 05), die schon vor Kriegsende Länderspiele bestritten hatten, standen neun Debütanten, darunter die späteren WM-Kandidaten Turek, Baumann, Herrmann, Klodt, Morlock und Ottmar Walter. Letzterer stand unter besonderer Beobachtung, denn das eigentliche Herzstück der Mannschaft, sein Bruder Fritz Walter, der bereits 24 Länderspiele absolviert hatte und ein besonderes Verständnis für die taktischen Pläne seines Trainers aufbrachte, musste an diesem wichtigen Tag verletzt zusehen. Kritiker vermuteten in Ottmar nur ein Anhängsel, das ohne seinen spielgestaltenden und vorlagengebenden Bruder wertlos sei. Aber er überzeugte sie an diesem Tag eines Besseren und stellte damit eine wichtige Weiche für die nächsten Jahre...



 

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